Kerbensteig früher - 1836 bis 1945


Der Kerbensteig befindet sich im hintersten Winkel der Sächsischen Schweiz, direkt neben der Kirnitzsch südöstlich von Hinterhermsdorf. Hier markiert die Kirnitzsch auch auf ungefähr 8 Kilometer Länge die Grenze zwischen Sachsen und Böhmen.

Lage vom Kerbensteig  (Quelle alle 4 Karten: mapy.cz, © Seznam.cz, a.s., 2015)


Der Kerbensteig wurde 1836 erbaut, in einer Zeit, als für touristische Zwecke noch neue Wege, Steige und Stiegen gebaut und erschlossen wurden, im Gegensatz zu heute, wo aus Gründen des Naturschutzes viele dieser Wege in der hinteren Sächsischen Schweiz wieder zurückgebaut oder gesperrt werden. Ziel war damals in erster Linie die touristische Erschließung des Kirnitzschtales bei Hinterhermsdorf, die dort Anfang des 19. Jahrhunderts begann.

Die obere Schleuse an der Kirnitzsch, eine Stauanlage zum Holzflößen, gibt es schon seit 1567, jeweils erweitert 1816 und 1931. Seit 1879 gibt es Kahnfahrten auf der Oberen Schleuse. Vor 1836 gab es schon einen Wanderweg von Hinterhermsdorf zur Schleuse und zurück, aber noch keine Verbindung von der Schleuse in Richtung Hinterdittersbach immer in der Nähe der Kirnitzsch entlang. Wer von der Oberen Schleuse nach Hinterdittersbach wandern wollte, mußte südlich vom jetzigen Hermannseck das Seifzengründel hoch, nördlich an den Darnsteinen und den Rabensteinen vorbei und dann die alte Böhmerstraße oder Höllstraße hinunter nach Hinterdittersbach (Wilhelm Leberecht Götzinger, Beschreibung der Sächsischen Schweiz, 1812, Seite 391 bis 393). Auch kurz vor 1836 war dies offensichtlich noch so (Albert Schiffner, Beschreibung der Sächsisch - Böhmischen Schweiz, 1836, Seite 244, 249). Knapp 1 Km südlich der Schleuse durchfließt die Kirnitzsch eine besonders enge Felsenklamm mit teils senkrechten Wänden, so daß dort kein Wanderweg direkt neben der Kirnitzsch möglich war. Der Kerbensteig schloß 1836 diese wichtige Lücke (Siehe Karten unten).


Laut einer Inschrift von 1836 an einer Felswand am Kerbensteig war der Auftraggeber für den Bau des Kerbensteiges ein Major v. Dieskau, die Planung hatte der Baukontrolleur Loose, und gebaut wurde der Steig durch den Floßvorsteher Sturm, der sich wahrscheinlich besonders gut in dieser Gegend auskannte.


Der Kerbensteig begann ungefähr 500 Meter südlich vom jetzigen Hermannseck (am heute blau markierten Wanderweg) am oberen Ausgang der Schlucht gegenüber dem Schwarzen Tor. Über Treppen und Stufen ging es die Schlucht hinunter bis kurz vor die Kirnitzsch (die Schönlinder Brücke zum Schwarzen Tor hinüber gab es damals noch nicht). Dann verlief  der Kerbensteig zunächst 180 Meter auf sächsischer Seite in ungefähr 15 Meter Höhe über der Kirnitzsch auf einem horizontalen Felsband entlang, 2 Schluchten wurden dabei durch Brücken überquert und das Felsband an zu schmalen Stellen durch Felsabmeißelungen und durch Stützmauern verbreitert. Dann führte der Steig über eine Treppe zur Kirnitzsch hinab und über eine Brücke ans andere Ufer auf böhmischer Seite. Dort führte der Steig ungefähr 300 Meter neben der Kirnitzsch am größtenteils flachen Ufer hin, dann wieder über eine Brücke zurück ans sächsische Ufer. 50 Meter weiter endete der Kerbensteig am unteren Ausgang der Wolfsschlucht. Ab da war der Weiterweg bis Hinterdittersbach kein Problem mehr bzw. war schon vorhanden. Andere Wanderwege in diesem Bereich wurden erst später erschlossen, z.B. Rotkehle, Jansloch und Wolfsschlucht (1843). Insgesamt war der Kerbensteig damals ungefähr 650 Meter lang.

Einige einzelne, manchmal auch schwer zugängliche Stellen des Kerbensteiges wurden schon weit vor dessen Bau von Menschen aufgesucht. Unterhalb des Kerbensteiges ist z.B. an einer Felswand kurz über der Kirnitzsch die Jahreszahl 1695 zu finden, wahrscheinlich von Flößern angebracht.

In der Abstiegsschlucht vom Wanderweg runter zur Schönlinder Brücke ist rechts an einer Felswand in Form einer Krone die Inschrift CGP 1822 eingemeißelt.


Altes Foto vom Kerbensteig von 1905. Abgebildet ist die Stelle 50 Meter oberhalb der Wolfsschlucht, wo der Kerbensteig von der böhmischen Seite wieder über eine Brücke auf die sächsische Seite wechselt. Siehe auch Fotos in Teil 4.

(Foto Quelle Internet: http://deutschboehmen.de/index.php?title=Hinter-Dittersbach)

Altes Foto (ca. 1910) von der Brücke über die Kirnitzsch vom Sächsischen Teil zum Böhmischen Teil des Kerbensteiges, in alten Wanderführern Kerbensteg genannt. Siehe auch Fotos in Teil 4.

 


Der Begriff Kerbensteig rührt wahrscheinlich von der alten Bezeichnung „In der Arschkerb“ her. Dies ist allerdings nicht gesichert. Damit könnte aber früher treffend die schmale Felsenklamm der Kirnitzsch in diesem Bereich bezeichnet worden sein (siehe auch alte Karte ganz unten). Man hatte damals mit dem Bau des Kerbensteiges die ideale Wegführung für den Wanderweg gefunden, unter der Bedingung, ihn so weit wie möglich immer in der Nähe der Kirnitzsch entlang zu führen.

Später wurde zusätzlich mit einer Brücke (Schönlinder Brücke, so genannt, weil von der Abteilung Schönlinde des Gebirgsvereins Nördlichstes Böhmen gebaut) zum Schwarzen Tor hinüber auch eine wichtige Verbindung in Richtung Jungferntanne, Balzhütten und Daubitz geschaffen.

Für den Kerbensteig war damals auch eine regelmäßige Instandhaltung erforderlich, da z.B. die nur aus Holz gebauten Brücken kontrolliert und ab und zu erneuert werden mußten.

Der Kerbensteig war von 1836 bis 1945, also 109 Jahre lang, ständig begehbar.


Schönlinder Brücke, ca 1900. Siehe auch Fotos in Teil 1.

Foto zur Verfügung gestellt von Christian Marovsky.

Wegen der Brücke hatte 1895 der Gebirgsverein Abteilung Schönlinde mal Ärger bekommen, siehe dazu Artikel weiter unten auf der Seite.



Der Kerbensteig (Pfeil) auf  der Topographischen Karte Hinterhermsdorf von 1882. Deutlich sind die zwei Brücken über die Kirnitzsch zu sehen. Die Schönlinder Brücke ist hier noch nicht vorhanden, auch nicht der heute blau markierte Wanderweg, der 30 Höhenmeter oberhalb des Kerbensteiges entlangführt.

(Quelle: © SLUB / Deutsche Fotothek/KS 14925)

Der Kerbensteig auf der Äquidistantenkarte Hinterhermsdorf von 1893. Die Schönlinder Brücke ist hier bereits vorhanden (gebaut ca. 1886).

(Quelle: © SLUB / Deutsche Fotothek/KS 14928/Link zur Karte)


Der Kerbensteig auf dem Meßtischblatt Hinterhermsdorf von 1913 (ganz unten.) Der heute blau markierte Wanderweg oberhalb des Kerbensteiges ist hier bereits vorhanden.

(Quelle: © SLUB / Deutsche Fotothek/KS 14935/Link zur Karte)


Der Kerbensteig auf der Karte Hinterhermsdorf von Johannes Schulz 1912.  (Quelle: © SLUB / Deutsche Fotothek/KS 2268/Link zur Karte)


Der Kerbensteig in Meinholds Routenführer Nr.1 Sächsisch-Böhmische Schweiz von 1925. 

Hier sieht man, daß damals über den Kerbensteig eine der Hauptwanderrouten im Hinterhermsdorfer Gebiet führte.

Meinholds Routenführer Nr.1 Sächsisch-Böhmische Schweiz, 1925, Seite 27, der Kerbensteig war die Route 35c (Siehe Karte oben).

Anmerkungen:

Wegweiser - Der Wegweiser war am Beginn des Abstieges in die Schlucht zur Schönlinder Brücke. Die Kirnitzschschenke in Hinterdittersbach war über den Kerbensteig erreichbar, die Jungferntanne in Richtung Balzhütten über die Schönlinder Brücke.

Wegteilung - Kurz vor der Schönlinder Brücke, geradeaus gings über die Brücke zum Schwarzen Tor, rechts war der Beginn des Felsbandes vom Kerbensteig.

über den Steg = Schönlinder Brücke

längs der Kirnitzsch abwärts - Dies ist der Kerbensteig, der hier leider nicht namentlich genannt wird.


Meyers Reisebücher Dresden und die Sächsische Schweiz 1891, Seite 242.

Beschrieben wird hier eine Wanderung von der Oberen Schleuse am Seifzengründel vorbei über den Kerbensteig nach Hinterdittersbach mit Abstecher in die Wolfsschlucht.


Auszug aus Ein deutsches Buch aus Böhmen von A. Paudler, Dritter Band, 1895, Seite 117.

Beschrieben wird hier eine Wanderung von Hinterdittersbach über den Kerbensteig nach der oberen Schleuse.

Der im Text erwähnte "Steintreppensteig" ist der Aufstieg in die Wolfsschlucht, ab da beginnt die Beschreibung des Kerbensteiges.


Auszug aus Theodor Schäfer - Dresden und Umgebung, 1894, Seite 69.

Beschrieben wird hier eine Wanderung von der Oberen Schleuse am Seifzengründel vorbei über den Kerbensteig nach Hinterdittersbach.


Gampes Sächsisch-Böhmische Schweiz, 1899, Seite 61.

Beschrieben wird hier eine Wanderung von Hinterhermsdorf  über den Kerbensteig nach Hinterdittersbach.

Damals war die Wanderung über den Kerbensteig so normal, daß er hier ohne Namensnennung nur mit zwei Zeilen kurz erwähnt wird.

Ferdinand Nahlik, Führer durch die Böhmische Schweiz, 1864, Seite 83, 84: Beschreibung vom Kerbensteig zwischen Wolfsschlucht und dem Schwarzen Tor (die Schönlinder Brücke gab es damals noch nicht, man mußte durch die Kirnitzsch waten, hier Körnschtbach genannt.)

Kleiner Fehler im Text: Die Inschrift an der Treppe ist beim Hochgehen nicht rechts, sondern links.

lnteressant die Bezeichnung der 2 Felsbrücken als "Schauerbrücken".

Quelle: https://books.google.de

Meinhold-Karte Elbsandsteingebirge von 1940 vom Hinterhermsdorfer Gebiet mit dem Kerbensteig.


Die Schönlinder Brücke wurde von der Abteilung Schönlinde des Gebirgsvereins Nördlichstes Böhmen gebaut, daher der Name. 1895 bekam der Gebirgsverein wegen der Brücke Ärger, siehe Artikel. Auch damals gabs schon Bürokratismus ...

Ausschnitt aus der Zeitschrift Gebirgsfreund, 15. März 1895.

Es muß damals ganz schön was losgewesen sein in der Gegend, denn im Artikel ist die Rede von "sehr dringenden touristischen Bedürfnissen" und von "Tausenden Touristen".

Ausschnitt aus der Zeitschrift Gebirgsfreund, 1. April 1895.

Das Problem mit der Brücke hatte sich in Wohlgefallen aufgelöst ...

Heutzutage unvorstellbar, das sich sowas so schnell erledigen kann ...


Alte Karte von ca. 1586 bis 1614 vom Kirnitzschtal  von Matthias Oeder.

Matthias Oeder war kursächsischer Landvermesser, Kartograf und Markscheider, d.h. Vermessungsbeamter im Bergbau.

Auf der Karte der Verlauf der Kirnitzsch von etwa der oberen Schleuse am (späteren) Kerbensteig vorbei bis zur Gegend von Hinterdittersbach.

Die Karte ist nach Süden ausgerichtet, Norden ist also unten.

Im Bild darunter ist die Karte gedreht und der Verlauf der Kirnitzsch in diesem Bereich genau wie auf heutigen Karten zu erkennen. (Quelle: © SLUB / Deutsche Fotothek/Link zur Karte)


Detail der Karte. Hier ist die Flurbezeichnung In der arsch kerb zu finden (rot unterstrichen).

Der spätere Verlauf des Kerbensteiges ist rot eingezeichnet.

Im Bild darunter ist die Karte gedreht.

 

Welche Stelle genau mit der Bezeichnung In der arsch kerb gemeint ist, läßt sich nicht genau lokalisieren.

1. Nimmt man die Stelle, wo die Bezeichnung die Kirnitzsch berührt, wäre das ca. 100 Meter unterhalb der Einmündung der Wolfsschlucht, dort gibt es eine felsige Engstelle im Tal.

2. Nimmt man das Kreuz unter der Bezeichnung als Stelle an, wäre das ca. 80 Meter oberhalb der Einmündung der Wolfsschlucht und damit 30 Meter oberhalb der ehemaligen Bachbrücke des Kerbensteiges. Dort gibt es eine besonders enge Stelle im Tal mit am sächsischen Ufer teils überhängenden Felsen, unter denen die Kirnitzsch hindurchfließt.

Das Kreuz könnte allerdings auch nur ein reines Vermessungssymbol sein. Solche oder ähnliche Symbole gibt es noch mehrere auf der Karte. (Quelle: siehe oben)



Alte Wanderführer und Karten, in denen der Kerbensteig erwähnt wird:

Meinholds Routenführer, 2. Auflage 1910 und Meinhold-Karte von 1940.


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